Dass mir die Herangehensweise der Jungs von 37signals (Anbieter von Online Organisations-Software) sehr gut gefällt, ist nichts neues. In der Brand Eins ist ein deutschsprachiger Artikel über die Macher Jason Fried und David Heinemeier Hansson erschienen, der öffentlich zugänglich ist. Hier ein Auszug zum Thema „Nutzer diktiert Funktionalität“:
Der Rest der Welt mag vorgeben, am liebsten „den Kunden zuzuhören“, und dazu grandiose Blogs einrichten, in denen der Chef den verständnisvollen Therapeuten gibt – 37 Signals glaubt nicht, dass der Kunde immer recht hat. Fried drückt das so aus: „Nutzer schlagen Lösungen vor, wenn sie eigentlich ihr Problem beschreiben sollten. Das ist ein großer Unterschied. Wer ein wirklich gutes Produkt haben will, handelt im Interesse seiner Kunden, aber er lässt sich nicht von jedem Wunsch in tausend Richtungen gleichzeitig ziehen. Sonst ist man nach ein paar Deals nicht mehr Herr seiner eigenen Produkte.“ Und sein Partner Hanson ergänzt: „Ich schreibe meine Software für uns und freue mich, wenn andere sie auch benutzen wollen.“
Wer die Philosophie gut findet, und der englischen Sprache halbwegs mächtig ist, dem hilft vielleicht auch das Buch der Jungs namens „Getting Real“ weiter, das kostenlos im Netz gelesen werden kann.
Buch: Getting Real (englisch)
(für entspannteres Lesen mit dem eBook Reader oder in Papierform empfehle ich allerdings, das Buch zu kaufen)
Update: Getting Real gibt’s mittlerweile auch als Taschenbuch und Kindle-eBook.
So eine Philosophie können sich nur wenige Unternehmen leisten. Es gibt bestimmt auch ausreichend Beispiele, die zeigen, dass dieser Weg der falsche ist. 37signals mag hier eine der wenigen Ausnahmen sein.
Ohne ausreichend Kapital in der Hinterhand kann man sich nicht langfristig gegen Kundenwünsche wehren. Vielleicht kommt es auch nur auf die Kundschaft an oder deren Wünsche. Manchmal freut man sich, wenn die Kunden vertrauensvolle Anfragen mit neuen Wünschen und Ideen stellen. Nicht nur darüber, dass sie sich melden, sondern was sie sich wünschen. Wenn man es schafft, diese Wünsche und Ideen den eigenen Vorstellungen nach anzupassen und zu vermitteln, kommt meist ein lohnender, neuer Auftrag zu stande. Wenn man sowieso keine Lust darauf hat, kann man es von vornherein ablehnen.
Ein Dienstleister, der nicht das macht, was man sich wünscht, hat auch nur eine ausgewählte Kundschaft. So unter dem Motto: "Nein, wir bauen Ihnen kein Gas-Antrieb in Ihr Auto. Wir tauschen nur Benzin-Motoren gegen Elektro-Motoren. Das halten wir für ökologisch sinnvoller. Okay, es gibt ein paar Einschränkungen, aber daran gewöhnt man sich." Es gibt Leute, die das wollen, und es gibt andere Leute. Man kann sich denken, wo mehr Kunden zu holen sind.
Den E-Book-Reader gibt es leider erst im Frühjahr 2009 zu kaufen. Da muss man noch eine Weile warten.
Die Herangehensweise nicht jedes vom Kunden vorgeschlagene Feature gleich einzubauen, halte ich für sehr sinnvoll. Es geht ja hier auch nicht um Spezial-Dienstleister, die nach Auftrag oder Spezifikation arbeiten, sondern Lösungen, die viele Kunden zufriedenstellen sollen. Die 80-20-Regel macht hier total Sinn.
"Alles für jeden" zu sein, ist auf jeden Fall nicht der Weg, der mehrheitlich zum Erfolg führt. Besonders die klar abgegrenzte Leistung / Funktionalität (auch etwas nicht zu tun) ist es, was viele Unternehmen optimal im Kopf der Kunden positioniert hat.
Zum eBook-Reader: nein, den gibt es schon zu kaufen, aber noch nicht in Deutschland. Hier kommt er erst in 2009, ja, steht ja auch im verlinkten Artikel.