Auf GOLEM lese ich, dass das Bundesjustizministerium bezüglich der bestehenden Rechtslage zur Widerrufsbelehrung bei Online-Shops nun Nägel mit Köpfen machen will:
Mit einem Diskussionsentwurf der „Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationsplichten-Verordnung“ reagiert das Bundesjustizministerium endlich auf die Kritik. Der neue Entwurf einer Muster-Widerrufsbelehrung soll Online-Händler und andere Warenversender vor Abmahnungen schützen und berücksichtigt unter anderem Vorschläge, die der Gütesiegel-Aussteller Trusted Shops zusammen mit dem DIHK erarbeitet hat. Allerdings soll der neue Mustertext anders als vorgeschlagen rund vier DIN-A4-Seiten lang sein und sei wegen verbleibender Kritikpunkte weiterhin von Gerichten angreifbar, kritisiert Trusted Shops.
(Hervorhebungen von mir)
Die Angreifbarkeit von Muster-Widerrufsbelehrungen hat sich ja schon in der Vergangenheit gezeigt. Leider wird es, wie es bis jetzt aussieht, auch in Zukunft keine Sicherheit in dieser Richtung für Online-Shop-Betreiber geben.
Bei Pressetext.com findet sich noch weiteres Material zum Thema:
Online-Händlern und Nutzern des Auktionsportals eBay http://www.ebay.com droht eine neue Abmahnwelle. Grund ist ein Urteil des OLG Frankfurt, das besagt, dass es wettbewerbswidrig ist, Waren bei eBay anzubieten und dabei die Widerrufsbelehrung nicht in den Quelltext des eBay-Angebots einzubinden.
Dort ist auch u.a. auch die Aussage eines Rechtsanwalts zu lesen (Max-Lion Keller von der IT-Recht Kanzlei München):
Das Gericht argumentiert, dass die Einblendung der erforderlichen Verbraucherinformationen mittels einer externen Grafikdateigemäß den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 1 I BGB-InfoV nicht gerecht werde. Beanstandet wird, dass diese Einblendung aus technischen Gründen nicht erfolgen könne, wenn auf eBay-Angebote über WAP zugegriffen wird. „Bei derartigen Abmahnungen müsste wohl mit einem Streitwert von 10.000 Euro gerechnet werden. Dies ergäbe allein Anwaltskosten von 631,80 Euro für die Abmahnung. Sollte es zu einem Prozess kommen, würden die Prozesskosten für die erste Instanz 3.527,30 Euro betragen“, so Keller im pressetext-Interview.
Ob sich derartige Forderungen durchsetzen lassen werden, bleibt abzuwarten. Bis die 4-seitige Widerrufsbelehrung am WAP-fähigen Endgerät durchgelesen ist, wurde bestimmt der ein oder andere Fall verhandelt… 😉
Update: im aktuellen Newsletter von RA Dr. Martin Bahr ist ein Kommentar von ihm zur Thematik zu lesen:
Kommentar von RA Dr. Bahr:
Das Gericht stellt somit in seinen Entscheidungsgründen maßgeblich auf den Umstand ab, dass der Anbieter speziell eine WAP-Nutzung beworben hatte.Ob die Entscheidung verallgemeinerungsfähig ist und somit a) für alle Online-Pflichtangaben wie Widerrufsbelehrung, Datenschutzerklärung und Impressum gilt und b) auch für die Fälle gilt, wo keine WAP-Nutzung speziell beworben wird, ist außerordentlich fraglich.
Was vielleicht einige Shop-Betreiber mit eigener Plattform und ohne eBay-Engagement etwas durchatmen lässt. Trotzdem bleibt natürlich die weitere Entwicklung abzuwarten.
Auch zur Überarbeitung der Muster-Widerrufsbelehrung hat Herr Dr. Bahr im aktuellen Newsletter einige recht knackige Anmerkungen parat, die ich hier (auch auf die Gefahr hin vollends in ein Zitatat-Gewitter abzudriften) nicht unerwähnt lassen will:
Die Musterwiderrufsbelehrung erweitert sich damit auf in der Praxis handliche und für den Verbraucher leicht verständliche drei bis vier Seiten Text. Hier können nur Praktiker am Werk gewesen sein, denn ein knapp vierseitiger Text, durch den man sich vor jedem Online-Kauf zu scrollen hat, beeinträchtigt nun wirklich nicht das Einkaufsvergnügen. Zu überlegen wäre, ob man hier aus Verbraucherschutz-Gesichtspunkten nicht den Unternehmer verpflichten sollte, gleich die gesammelten deutsche Rechtswerke – insb. BGB, BGB-InfoV, StGB – mit abzudrucken. Oder noch besser: Bei jeder Warenlieferung muss eine Taschenbuchausgabe der Gesetzesexemplare in Papierform beiliegen, damit der Verbraucher auch gleich seine Rechte sofort nachlesen kann.
Tja, mehr kann man dazu wohl auch kaum sagen… 😐
Ich möchte jetzt mal nicht direkt auf die Praktiken der Abmahn-Anwälte eingehen. Dennoch ist der aktuelle Fall ein wenig prekär (ich kenne allerdings nur das, was hier zitiert wurde).
Denn in unserer Gesellschaft gibt es Personen, welche Bilder selbst auf normalen Desktop-Systemen nicht "lesen" können, da sie blind sind. Sie setzen Brailleleser ein, welche den Text in für sie lesbarer Form widergeben können. Selbst moderne Flash-Applikationen können gelesen werden, auch wenn das wohl nicht das Gelbe vom Ei ist :). Und für Websites von staatlichen Einrichtungen ist die Einhaltung von Regeln für Behinderte Pflicht.
Bei Bildern funktioniert eben dieses Verfahren nicht. Das einzig Mögliche ist reiner Text. Auch wenn das bei zwei DIN A4 Seiten wohl auch nicht das reinste Vergnügen ist!
Ähm, ich bin wohl schon ein wenig müde. Meinte natürlich 4 DIN A4 Seiten. Und bei den restlichen Fehlern erwarte ich einfach ein Überlesen durch den Leser ;).
Gute Nacht!
Guter Punkt, das ist natürlich ein Argument, das deutlich pro Textform spricht. Trotzdem bleibt das Problem der Machbarkeit, denn selbst die Einbindung per Javascript (welche die Informationen ja wieder als Textform ausgeben könnte und eine Anpassung "von extern" ermöglichen würde) ist hier nicht die Lösung des Problems, da Screenreader u.ä. dieses nicht entsprechend auswerten (können). Und bei rechtlichen Änderungen alle Produkte und Plattformen (u.U. 1000e) entsprechend im Quelltext anpassen zu müssen, ist durchaus ein geschäftsbeeinflussender Faktor. Ich bin gepannt auf die weitere Entwicklung bei dem Thema.